Franz Sägemeister ist ein besonders kluger Mann.
Das finden alle. Seine Kunden, seine Kollegen, die es
streng genommen gar nicht gibt, und seine Mitarbeiter.
Er selbst natürlich auch. Und er ist auch klug genug,
das nicht allzu öffentlich zu zeigen. Zwar hält sich
hartnäckig das Gerücht, er hätte vor seinen
Geschäftsführern erklärt, dass nur der liebe Gott klüger
wäre als er, aber selbst wenn das so oder so ähnlich
gewesen wäre, wäre das wohl nur ein Scherz gewesen.
Schließlich führt das Unternehmen die Firma „Sägemeister
& Burscher“ und nicht „Zum heiligen Franz“. Wer teilt
schon den Namen, wenn er sich für so einzigartig halten
würde?
Simon Burscher steht für 50% des Firmennamens und eine
Menge wichtiger Entscheidungen. Jedenfalls sieht er das
so. Eigentlich sieht nur er das so. Herr Kurz, der
ständige Berater der Firma S & B, zitiert immer
Parkinson, wenn es um Herrn Burscher geht: „Ein Mann,
dem verwehrt ist, wichtige Entscheidungen zu treffen,
beginnt die Entscheidungen als wichtig anzusehen, die er
überhaupt treffen darf.“ Nein, Burscher darf keine
wichtigen Entscheidungen treffen. Nicht als es um die
neue Zentrale ging, nicht als der Marketingvorstand
bestellt wurde, nicht als es um die Auslandsexpansion
ging. Aber meistens hat ihn Sägemeister über seine
Entscheidungen informiert. Das ist doch schon etwas, das
macht ihn wichtiger als manche andere im Unternehmen.
Burscher ist Sägemeister passiert, hört man die
Mitarbeiter in der Raucherecke sagen. „Burscher ist für
Sägemeister bequem“, sagt Herr Kurz, „ein Alleinvorstand
sieht heute doch unprofessionell aus, und mit Burscher
muss man nicht einmal eine Vorstandssitzung machen“.
„Wenn Herr Sägemeister sich beraten möchte, dann spricht
er mit mir“, sagt Herr Kurz. „Wenn Herr Sägemeister
nicht weiß wie er entscheiden soll, dann sage ich es
ihm“, denkt sich Herr Kurz. Ja, Herr Kurz wird immer
wichtiger, das sehen alle, darüber spricht man. Obwohl
externer Berater, verbringt er schon mehr Zeit im Büro
als Simon Burscher. Praktisch alle wichtigen Konzepte
tragen seinen Namen. Täglich spricht er mehrere Stunden
mit Sägemeister. Angeblich hat Sägemeister Herrn Kurz
schon ein Vorstandsmandat angeboten. Kurz lächelt nur,
wenn man ihn darauf anspricht, und sagt mit ganz
bedeutungsvoller Stimme „ kein Kommentar“ oder „warten
wir mal ab, was es im nächsten Jahr an Änderungen gibt.“
Kurz vor Weihnachten kommt Sägemeister zu Burscher ins
Büro: „Simon, dieser Kurz wird immer wichtiger für unser
Unternehmen. Ich habe überlegt ihn enger an uns zu
binden.“ „Sicher“, erwidert Burscher, „Kurz leistet sehr
gute Arbeit. Auch unsere Mitarbeiter finden das. Man
erzählt sich, er würde inzwischen die wesentlichen
Entscheidungen treffen.“ „Ja“, Sägemeister versucht mit
aller Kraft seine Betroffenheit zu verbergen, „Kurz
passt von seiner Art her leider nicht zu S & B. Ich
wollte dir nur mitteilen, dass ich seinen Vertrag nicht
verlängern werde.“